Freitag, 9. September 2011

Nippes kämpft für das Schwimmbad


Auf einer Sondersitzung der Bezirksvertretung Nippes (BV) am 8. September wurde deutlich, wie wichtig der Erhalt des Nippes-Bad für den Stadtteil ist. Rund 60 Schwimmerinnen und Schwimmer waren gekommen, um Druck für den Erhalt des Bades zu machen. Am Ende´beschloss die BV die Forderung, das Bad zu erhalten.

In einer Abweichung von der Geschäftsordnung ermöglichte Bezirksbürgermeister Schössler (SPD), dass drei VertreterInnen von Vereinen und Initiativen reden konnten. Auch Beifallsbekundungen des Publikums wurden seitens der Sitzungsleitung „ausnahmsweise“ toleriert.



Helga Kollenbroich von der Initiative „Bäder für Alle“ und Fredo Landvogt von der DLRG brachten gute Argumente für den Erhalt des Bades vor. Ein Betreiber einer privaten Schwimmschule im Nippes-Bad formulierte die Forderung, dass endlich Alternativen zur Schließung vorgelegt werden müssten, Visionen, was mit mehr Bädern alles möglich wäre.

Die SPD-Vertreter Fischer, Steinbach und Baumann hielten der Verwaltung vor, dass die Fahrtzeiten für die Schulen in größerem Maße ansteigen würden als die Stadt zugibt. Es könne nicht nur nach finanziellen Gesichtspunkten entschieden werden, es müsse nach dem Interesse der Bevölkerung. Nach rein finanziellen Kriterien hätten Oper oder Museen niemals für Hunderte Millionen Euro renoviert werden dürfen, aber es wurde als kulturell wichtig eingestuft. Der grüne Vertreter, Dr. Clasen, machte deutlich, dass Nippes insgesamt kulturell und sportlich benachteiligt sei.

Bei einigen Äußerungen kam man direkt ins Staunen, standen diese doch im direkten Widerspruch zur Linie der etablierten Parteien im Rat. CDU-Vertreter Schmitz hätte leicht mit einem Linken verwechselt werden können. Er wandte sich gegen die neoliberale Logik des Sparens bei der öffentliche Daseinsfürsorge insgesamt und sagte (sinngemäß): „Die Stadt darf sich nicht aus dem Nippes-Bad zurückziehen. Die Bäderbetriebe sind zwar eine privatrechtliche GmbH, aber es darf jetzt keine Privatisierung der Daseinsfürsorge auf kaltem Wege geben. Für uns gibt es beim Nippes-Bad überhaupt nichts zu rechnen. Das ist keine Finanzfrage, das Angebot muss aufrechterhalten werden.“

„Narrenfreiheit“ in der BV?

Ein Problem ist allerdings, dass die Kritik der BezirksvertreterInnen keine Auswirkungen auf die Linie der etablierten Parteien im Rat haben. Es scheint, dass diese ihren Leuten in den BVen „Narrenfreiheit“ zubilligen. Dort dürfen die Forderungen der Bevölkerung positiv aufgenommen werden, dort darf man gegen Kürzungen und die Vernachlässigung der Veedel protestieren. Doch letztendlich haben die BVen nichts zu sagen, haben keinen eigenen Etat. Der Rat entscheidet und dort sind sich die etablierten Parteien oft einig bei der Durchsetzung von Sozialkürzungen.

Tatsächlich sind die Bezirksvertreter teilweise auch selbst Schuld an dieser Situation. Im Fall Nippes wurde im Vorfeld abgelehnt, auch den Erhalt des Weiden-Bades zu fordern und somit wirklich politisch für ein bessere Bäderkonzept zu agieren. Wenn jede einzelne BV nicht bereit ist, über den Tellerrand hinauszuschauen, ist es leicht für die Verwaltung und die Ratsparteien, die Bezirke gegeneinander auszuspielen.

Der Einzelvertreter der FDP in der BV blieb übrigens konsequent beim Kurs seiner Partei, die 2%-Hürde zu unterlaufen. Er meinte, das Bad müsse geschlossen werden, die KölnBäder GmbH könne sich keine weiteren Verluste mehr leisten. Angesichts der Proteste der SchwimmerInnen hatte er Mühe, seine Rede zum Ende zu bringen.

LINKE. bekommt Anerkennung, „ProKöln“ hätte sie gerne

Nur die LINKE. tritt auf allen Ebenen konsequent für den Erhalt der Bäder ein und hat dies durch ihren Anstoß zur Gründung der Initiative „Bäder für Alle“ und die praktische Mitarbeit seit 2007 unter Beweis gestellt. Bezirksvertreter Andree Willige begann seine Rede damit, dass die LINKE. bei dieser Sitzung wegen dieser konsequenten Linie ein Heimspiel hätte. Das führte zu spontanem Applaus seitens der Schwimmerinnen und Schwimmer. Die Rolle der LINKE. bei der Organisierung von Protesten seit 2007 wird in Nippes deutlich wahrgenommen, auch von vielen Senioren-GesundheitsschwimmerInnen, die gewiss nicht zur klassischen Anhängerschaft der Linken zählen.

Andree Willige führte aus, dass es schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts Pläne gab, ein Bad in Nippes zu bauen, und dass dies durch Kriege und Krisen immer wieder hinausgeschoben wurde, bis endlich 1962 das erste, das heutige Nippes-Bad, gebaut wurde. Diese Errungenschaft dürfe man sich heute, nur weil angeblich wieder kein Geld vorhanden sei, nicht kaputt machen lassen.

Im Gegensatz zur guten Verankerung der LINKE. stehen die Möchtegern-Trittbrettfahrer von der rassistischen „Bürgerbewegung ProKöln (PK)“ unbeachtet am Rand des Geschehens. Die Rechten hatten sich in den letzten Wochen als große Freunde des Nippes-Bades ausgegeben, ohne jemals aktiv gewesen zu sein. Tatsächlich schaden die Faschisten mit ihren Parolen der Verteidigung des Bades.

Die PKler standen vor dem Eingang zur Veranstaltung und verteilten ihre heuchlerischen Flugblätter, Ratsmitglied Uckermann pöbelte im bekannten Stil gegen einzelne Besucher der Veranstaltung. Während der Sitzung traute sich die rechte Bezirksvertreterin Sänger nicht, zur Sache zu reden – was niemand im Saal bedauerte. Nach dem Abschluss posierten die Rechten für Fotos und hielten extra für diesen Zweck angefertigte Schilder hoch. Es ist zu erwarten, dass auf der Website von PK einer der üblichen herbeifantasierten Artikel erscheint, in dem die rechte Truppe sich selbst lobt.

Geschäftsführung weicht der Debatte aus

Die Rolle des Verteidigers der Bäder-Schließung hatte an diesem Abend der Geschäftsführer der Bäder GmbH, Berthold Schmitt. Er ließ sich überhaupt nicht auf die eigentliche Debatte ein, dass das Bad im Veedel gebraucht wird, für die SchülerInnen, die Senioren, die Vereine usw., sondern biss sich an Einzelfragen fest, z.B. am Bedarf der DLRG nach Sprung- und Tauchmöglichkeiten.

Schmitt wies darauf hin, dass die GmbH keine Bäder schließen, sondern betreiben würde. Wenn der Rat den finanziellen Rahmen erweitere, hätte er keine Probleme damit, das Nippes-Bad weiter zu betreiben. Damit hat er formal Recht, aber es verwundert schon, dass die Geschäftsleitung der Bäder GmbH so vehement Argumente für die Schließung der Bäder vertritt und kein einziges Mal auf die großen Chancen für den Ausbau des Schwimmbetriebes in Köln hinweist, wenn Nippes und Weiden neben dem Lentpark und dem Stadionbad weiter betrieben würden.

Dass es eng wird bei der Unterbringung aller SchwimmerInnen nach der Schließung von Nippes gab Schmitt in einem Nebensatz zu (sinngemäß): „Wenn ich die Belegung von Nippes in den Lentpark 1:1 übernähme, mache ich den Lentpark gleich zu einem Gruppenbad.“

Das ist absolut richtig, aber was folgt daraus? Der teure, schicke Lentpark soll ohnehin schon zu einem Teilgruppenbad werden, zwei Tage sind für die Öffentlichkeit gesperrt, an allen Wochentagen sind Bahnen für Schulen und Vereine belegt. Die Schlussfolgerung daraus kann doch nur sein, dass Nippes nicht geschlossen werden darf, wenn man verhindern will, dass der Lentpark durch Enge und Überlegung verschiedener Schwimmergruppen unattraktiv wird.

Schmitt verwies auf die finanzielle Belastung der Kölnbäder GmbH durch die Neubauten. Über 7 Millionen Euro Kapitaldienst – Zinsen und Tilgung – müsse man jährlich aufbringen. Eher unfreiwillig hat er damit ein Problem aufgezeigt: Wenn die Verlustsumme der Bäder GmbH gedeckelt bleibt, könnte der Druck Richtung weiterer Bäderschließungen steigen, allein, weil die Kredite für die neuen Vorzeigebäder bedient werden müssen. Dann würden wir auch in Köln an den Punkt kommen, wo die Versorgung mit normalen Schwimmbädern grundlegend in Frage gestellt wäre.

Die VerteidigerInnen des Nippeser Bades fühlten sich bei der Sondersitzung der BV als argumentative Sieger. Der BV-Beschluss sorgt für moralischen Rückenwind, auch wenn es noch keine Anzeichen gibt, dass sich in den Ratsfraktionen der etablierten Parteien was bewegt.